Stolpersteine in Bruchsal
Die Bruchsaler Stolperstein-Initiative

Veröffentlichungen

Neunte Stolpersteinverlegung am 22. Mai 2023

Siebte Stolpersteinverlegung am 8. Juni 2021

Dritte Stolpersteinverlegung am 26. April 2017

Zweite Stolpersteinverlegung am 27. Juni 2016


 Zweite Stolpersteinverlegung am 27. Juni 2016


Die ersten Stolpersteine in Bruchsal - 2015
Stolpersteine


Von: Waldemar Zimmermann


Seit Sonntag, den 19. April 2015, erinnern zehn Stolpersteine an drei Standorten an die ehemaligen jüdischen Mitbürger, die plötzlich verschwunden waren, wie ausgelöscht, deren Adresse auf einmal unbekannt war. Doch genau ihre ehemalige  Adresse ist das einzige, das von ihnen geblieben ist und das heute an sie erinnern soll. Europaweit sind inzwischen schon 52.000 Steine verlegt, zum Gedenken an jüdische Mitbürger, die während des Dritten Reiches verschleppt und ermordet wurden. In Bruchsal  sollen diese zehn Mahnmale erst der Anfang sein. Viele weitere können folgen, wie die Oberbürgermeisterin betonte, indem auch künftig mit großem Engagement ehrenamtliche Gedenkarbeit in unserer Stadt geleistet wird. Auch die Bürgerstiftung Bruchsal will weiterhin Mittel für dieses gemeinnützige Projekt einwerben und auch selbst Stolpersteine finanzieren.

Was sind Stolpersteine? Es sind zehn mal zehn Zentimeter große Messingplatten, die mit dem Namen, Geburts- und Sterbejahr sowie dem Todesort versehen sind. Die Steine, die im Gehsteig vor den ehemaligen Wohnungen der im Nationalsozialismus Ermordeten, Vertriebenen und Deportierten eingelassen sind, sollen den aus dem Bruchsaler Leben Ausgelöschten wieder eine Adresse geben. Jeder einzelne Name und das Erinnern an die Person, die diesen Namen trug, soll an den Ort zurück kehren, wo dieser Mensch einst gelebt hat – in unserer Mitte. In Bruchsal wird man sich nun vor dem Anwesen Bismarckstraße  18 mit fünf Stolpersteinen an die Familie Sicher erinnern, in der Wilderichstraße 23 mit drei Stolpersteinen an die Familie Dreifuß und in der Württemberger Straße 34 mit zwei Stolpersteinen an die Eheleute Jordan. Das Schicksal der Opfer wird in einer Gedenkschrift erzählt, die kostenlos bei der Stadtverwaltung erhältlich ist. Der Initiator des Projekts “Stolpersteine”, der Künstler Gunter Demnig,  sagte: “Ein Mensch ist erst vergessen, wenn der  Name vergessen ist.” Durch die Steine seien die Namen wieder da.

Weit über 100 Bruchsaler fanden sich anläßlich der erstmaligen  Verlegung von Stolpersteinen in Bruchsal ein. Eine würdige Auftaktveranstaltung im Sitzungssaal des alten Rathauses verlieh der Aktion den ihr zustehenden Rahmen, bevor es zu Fuß durch Bruchsal zu den verschiedenen Örtlichkeiten ging, wo der ehemaligen Bewohner durch Kurzvorträge, Musikuntermalung und Gebete eindrucksvoll gedacht wurde, was eine sichtbare  Wirkung auf die Beiwohnenden hinterließ. Ich habe versucht, die ca. dreistündige Veranstaltung in einem Video quasi dokumentarisch wieder zu geben und hoffe, daß sich der interessierte Leser einen Eindruck über diese Veranstaltung machen kann…

https://youtu.be/nFVUajNQ2yU


Projektgruppe Stolpersteine am JKG ausgezeichnet
Am 6. Oktober 2017 wurden die Schüler der Projektgruppe Stolpersteine am Justus-Knecht-Gymnasium Bruchsal für ihr Engagement mit dem Bürgerpreis 2017 ausgezeichnet. Diese Projektgruppe bestand aus 13 Schülerinnen und Schülern der 8. Klassen, die unter Anleitung ihres Lehrers das dritte Projekt zur Verlegung von insgesamt 16 Stolpersteinen umsetzten. Die Schüler recherchierten die Biographien der Opfer und nahmen Kontakt zu den Angehörigen und Nachkommen der Opfer auf. Insgesamt 17 dieser Angehörigen reisten - teilweise aus Übersee - an, um bei der Verlegung dabei sein zu können.

Die Laudatio hielt der frühere Schulpräsident Prof. Dr. Werner Schnatterbeck, der freundlicherweise seine Würdigung zur Veröffentlichung auf dieser Seite überließ.

Verehrte Preisträger, liebe Gäste!

„…Ich werde jedenfalls nie vergessen, wie ich eines Nachts dadurch geweckt wurde, dass der neben mir schlafende Kamerad, sichtlich unter der Einwirkung irgend eines schreckhaften Alptraumes, laut stöhnend sich herumwälzte. Ich will hierzu vorerst noch bemerken, dass ich persönlich seit je ein besonderes Mitleid für Menschen empfinde, die irgendwie von ängstlichen Wahn- oder Traumvorstellungen gequält werden. So war ich schon nahe daran, meinen armen, vom Alp geplagten Kameraden zu wecken. In diesem Augenblick erschrak ich über meinen Vorsatz und zog auch schon die Hand wieder zurück, die den Träumer wachrütteln sollte. Denn in diesem Augenblick war mir so ganz intensiv zu Bewusstsein gekommen, dass kein Traum, auch nicht der schrecklichste, so arg sein kann wie die Realität, die uns dort im Lager umgab und zu deren wach-bewusstem Erleben jemanden zu erwecken ich im Begriffe war…“

So erinnert sich der Wiener Psychologe Viktor E. Frankl in seinem millionenfach verlegten Buch „…trotzdem Ja zum Leben sagen“ an die Schrecken seines mehrjährigen Lageraufenthaltes, der ihn in vier Konzentrationslager führte - zeitgleich mit seiner Ehefrau, die er erst ein halbes Jahr zuvor geheiratet hatte, und die genauso wie seine Eltern, sein Bruder und dessen Frau darin umkam.

In diesem Buch wird unvorstellbares Leid thematisiert, so wie in vielen anderen Zeugnissen, die uns zur Verfügung stehen. Millionen Opfer der NS-Willkür und des NS-Unrechts sind zu beklagen und es bleibt die Frage, wie man diese Menschen aus der Anonymität der unfassbaren Opferzahl herausholt, sie vor dem Vergessen bewahrt und ihnen ihre Würde wieder geben kann.

Mit dem Verlegen von Stolpersteinen des Künstlers Gunter Demnig steht eine Form der Erinnerungskultur zur Verfügung, die diesem Anspruch gerecht werden will. Der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Dr. Josef Schuster, drückt es so aus:
„Die kleinen Messingsteine lassen uns immer wieder mitten im Alltag innehalten: Wir beugen uns hinunter, um die Namen lesen zu können. Wir verbeugen uns vor den Menschen, die den Nationalsozialisten zum Opfer fielen. Und uns wird bewusst: Sie lebten hier, mitten unter uns. Es waren Nachbarn. Und auch wenn es heute keine Angehörigen mehr gibt: Sie sind nicht vergessen!“

Soweit Dr. Josef Schuster (zitiert nach Rolf Schmitt: Gedenkschrift zur zweiten Stolpersteinverlegung in Bruchsal am 27.06.2016. Hrsg.: Stadtverwaltung Bruchsal. Juni 2016, S. 48).

Schülerinnen und Schüler der achten Klassen des Justus-Knecht-Gymnasiums Bruchsal fanden sich im Schuljahr 2016/17 ein weiteres Mal zusammen, um eine „Projektgruppe Stolpersteine“ zu bilden. Dabei steht das Verlegen eher am Ende eines Prozesses, der vor allem dadurch geprägt ist, Lebensgeschichten nachzuspüren, Biografien entstehen zu lassen, dafür Quellen aufzutun und auszuwerten, Verbindungen zu Angehörigen, wenn noch möglich, herzustellen.

So war es dank der Arbeit dieser 13 Schülerinnen und Schüler möglich, dass am 26. April 2017 sechzehn Bruchsalerinnen und Bruchsaler gewürdigt werden konnten, denen im Nationalsozialismus großes Unrecht widerfahren war. Die zustande gekommenen Biografien gaben dabei den Opfern eine wahrnehmbare Gestalt, holte sie durch das stilvolle Verlegen der Steine, die anschließende Gedenkstunde sowie die Dokumentation wieder hinein in ihren ursprünglichen Lebensmittelpunkt.

Ich bin sehr froh, dass in der Kategorie U21 die Schülerinnen und Schüler der „Projektgruppe Stolpersteine“ des Justus-Knecht-Gymnasiums Bruchsal die Preisträger des Bürgerpreises 2017 sind und gratuliere von Herzen!

Nach dem letzten Jahr hat es auch im Jahr 2017 Oberstudienrat Florian Jung geschafft, die Schülerinnen und Schüler für dieses Projekt zu begeistern und sie engagiert und sachkundig zu begleiten.

Erwähnen möchte ich in diesem Zusammenhang aber auch Rolf Schmitt, der sich unermüdlich dafür einsetzt, die Erinnerung wachzuhalten und dadurch demokratisches und humanes Bewusstsein zu stärken.

Abschließend zitiere ich aus der großartigen und unübertroffenen Rede des ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, die er am 40. Jahrestag der Beendigung des Krieges und der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft im Deutschen Bundestag hielt. Und die gerade nach dem 24. September 2017 aus meiner Sicht zusätzliche Bedeutung hat:

„Die Jungen sind nicht verantwortlich für das, was damals geschah. Aber sie sind verantwortlich für das, was in der Geschichte daraus wird…
Wir müssen…helfen zu verstehen, warum es lebenswichtig ist, die Erinnerung wachzuhalten…
Es gibt keine endgültig errungene moralische Vollkommenheit – für niemanden und kein Land!
Wir haben als Menschen gelernt, wir bleiben als Menschen gefährdet. Aber wir haben die Kraft, Gefährdungen immer von Neuem zu überwinden.
Hitler hat stets damit gearbeitet, Vorurteile, Feindschaften und Hass zu schüren.

Die Bitte an die jungen Menschen lautet:
Lassen Sie sich nicht hineintreiben in Feindschaft und Hass
gegen andere Menschen,
gegen Russen oder Amerikaner,
gegen Juden oder Türken,
gegen Alternative oder Konservative,
gegen Schwarz oder Weiß.
Lernen Sie, miteinander zu leben, nicht gegeneinander.“
Die Schülerinnen und Schüler der „Projektgruppe Stolpersteine“ des JKG Bruchsal haben diese Sätze wirklich verstanden!








Hinten links: Prof. Dr. Werner Schnatterbeck, links davor Oberstudienrat Florian Jung, rechts daneben Bruchsals Oberbürgermeisterin Cornelia Petzold-Schick. Davor drei der ausgezeichneten Schüler. Foto: Sparkasse Kraichgau